Inhalt:
Was ist eine Kränkung?
Was kann man gegen eine Kränkung tun? ↓
3 kurze körperliche Übungen nach einer Kränkung ↓
5 kurze gedankliche Übungen nach einer Kränkung ↓
Kurz-Zusammenfassung & Quellen ↓
Vielleicht fühlst du dich einsam, weil du von einem oder mehreren Menschen enttäuscht oder gekränkt wurdest. Jemand hat dich zurückgewiesen, nicht auf deine Bedürfnisse gehört, dich vor den Kopf gestoßen, eine wirklich blöde Bemerkung gemacht und dich damit beleidigt. Und jetzt sitzt du hier, bist beleidigt und fühlst dich allein. Denn du kannst ja auf diesen Menschen jetzt nicht zugehen, du würdest dir erwarten, dass man auf dich zugeht, aber das passiert nicht. Eine ausweglose Situation? Mitnichten.
Anne Otto beschreibt in Psychologie Heute selbst ein Erlebnis, nach dem sie „Ohnmacht, Fassungslosigkeit, Wut und Beschämung“1Anne OTTO: Mein wunder Punkt. Psychologie Heute 04/2020, online 11.3.2020, S. 18 empfand. Eine langjährige Freundin verabschiedete sich forsch und distanziert per E‑Mail von ihr. Für Otto verfliegt der Ärger erst, als sie sich mit ihren tiefer liegenden Gefühlen beschäftigt und darin verletzte Akzeptanz erkennt sowie ungenügend enge Grenzen.
Wenn Menschen zurückgewiesen werden, sind sie traurig, wütend oder verärgert. Eine Kränkung aber berührt tiefer im Selbstwert und den eigenen Werten und geht deshalb nicht so schnell wieder weg. Sie rührt an Dingen, die oft schon sehr lange zurückliegen, an Punkte in unserer Kindheit, wo wir zuvor schon Kränkungen erfahren haben. Deshalb sind die Reaktionen auf Beleidigungen unter den Menschen auch so unterschiedlich, weil es die eine gar nicht juckt und der anderen schmerzlich in tiefen Wunden kratzt. Man geht bei diesen sog. „primären Kränkungen“ in der Kindheit davon aus, so Bärbel Wardetzki,2Bärbel WARDETZKI (2014): Ohrfeige für die Seele. Wie wir mit Kränkung und Zurückweisung besser umgehen können. München: DTV. / Bärbel WARDETZKI (2019): Loslassen und dranbleiben. Wie wir Veränderungen mutig begegnen. München: Kösel. dass sie im erwachsenen Menschen immer noch nachwirken und meist nicht vollständig verarbeitet wurden. Wardetzki beschreibt Kränkungen als „unflexible Antworten auf Zurückweisungen“, was unterstreicht, dass wir erst lernen müssen, anders auf ein uns altes Gefühl zu reagieren.
Was kann man gegen eine Kränkung tun?
Es ist natürlich schwieriger sich damit zu befassen, wie man selbst in eine Situation geraten ist oder welchen Beitrag man geleistet hat, dass man sich fühlt, wie man sich fühlt. Viel leichter ist es, wütend auf den Anderen zu sein und ihn zu beschuldigen. Diese sog. „Kränkungswut“ ist eine häufige erste Reaktion. Wer diese erste Wut überwindet und sich eingehender mit der Kränkung beschäftigt, dem kann es gelingen, sich selbst aus der passiven Rolle zu hieven. Es verlagert sich der Blickwinkel vom Anderen (Du bist arrogant! Gemein zu mir! Egoistisch! Undankbar!) hin zu den eigenen Gefühlen. Es gibt bestimmte Fragen, die man sich stellen kann, um dem wunden Punkt näher zu kommen:
Warum kränkt mich das so?
Was ärgert mich genau?
Welcher Teil ärgert mich in einer Aussage?
Hat mich das zuvor schon einmal gekränkt?
Welchen Wert fühle ich schändlich verletzt?
Für Wardetzki ist es eine Notwendigkeit, sich der eigenen Verletzlichkeit zu stellen. Es ist furchtbar unangenehm, seelische Verletzungen zu erleiden, aber es gehört nun einmal zum Leben dazu. Sie empfiehlt dafür das Vorsagen des folgenden Satzes: Ich bin ein kränkbarer Mensch. Das bringt viele unangenehme Gefühle hoch, denn wer ist schon gern verletzlich, beleidigbar? Aber die Akzeptanz der Wahrheit dieses Satzes hilft bereits.
Es hilft auch, sich bewusst zu machen, dass eine Kränkung aus zwei Teilen besteht: Hier die Person und die Situation und dort das eigene Empfinden. Und eine Kränkung passiert nur dort, wo eine bissige Bemerkung auf fruchtbaren Boden fällt. Dieser fruchtbare Boden sind die eigenen Werte, die verletzt werden, Werte, nach denen man lebt und seinen Charakter richtet. Diese Werte lassen sich gut mit Begriffen benennen bzw. als differenzierte Gefühle wahrnehmen, Rolf Sellin3Rolf SELLIN (2016): Ins Herz getroffen. Selbsthilfe bei seelischen Verletzungen. München: Kösel. nennt Beispiele:
- „Zugehörigkeit“ wird verletzt, wenn sich ein Mensch ausgeschlossen fühlt.
- „Vertrauen“ wird verletzt, wenn sich ein Mensch hintergangen oder belogen fühlt.
- „Akzeptanz“ und „Annahme“ wird verletzt, wenn einem Menschen das Gefühl fehlt, so gesehen und gemocht zu werden, wie er ist, auch im Sinne von „Du bist genug.“
Einen eigenen wunden Punkt erkennt man auch gut daran, dass andere Menschen in ähnlichen Situationen anders reagieren oder etwas als gar nicht so schlimm empfinden. Manche Menschen sind dabei außerdem grundsätzlich noch etwas empfindlicher als andere, etwa reagieren Hochsensible stärker (was etwa 15–20 % der Bevölkerung betrifft) und auch Narzissten sind besonders leicht gekränkt. Durch ihre ausgeprägte Egozentrik sind sie schnell enttäuscht, wenn sie nicht die erwartete Sonderbehandlung erhalten.4Reinhard HALLER (2019): Die Macht der Kränkung. Wals bei Salzburg, Ecowin.
3 kurze körperliche Übungen nach einer Kränkung
- Sich selbst Trost spenden: Etwa kann man die rechte Hand auf den linken Oberarm legen oder beide Hände auf die Oberschenkel. Diese kleine körperliche Geste klappt auch bei sich selbst.
- „Platonische Tankstelle“ (nach Sellin): Eine Übung, bei der man sich in den Raum stellt und versucht, mit dem Wert, der fehlt oder verletzt wurde, in Kontakt zu kommen. Sich ihn vorstellen, spüren versuchen. Die bewusste Beschäftigung etwa mit „Vertrauen“ führt schließlich dazu, wirklich etwas mehr Vertrauen zu fühlen, ganz aus sich selbst heraus. Einen kleinen Teil des Wertemankos können wir also ganz alleine kompensieren.
- Sich ausdehnen. Wer gekränkt ist, spürt oft auch eine unangenehme körperliche Enge, ein Festhalten verstärkt die Verletzung eher. Eine einfache Übung gegen die Enge beschreibt Otto:
Setz dich auf einen Stuhl oder leg dich hin und verstärke erst noch einmal den angespannten Zustand, indem du deine Muskeln bewusst noch stärker zusammen ziehst. Dann lass die Spannung los bis hin zur Entspannung. Spüre deine eigene Schwere. Wenn du dann irgendwann den Impuls bekommst, dich aufzurichten, recke und dehne dich. Nimm bewusst Raum ein und empfinde die Weite.
5 kurze gedankliche Übungen nach einer Kränkung
- Kommunizieren. Nach einer Kränkung sollte man ehestmöglich auch zurück nach außen kommunizieren, um nicht in eine Starre zu verfallen, wie Sellin das nennt. Dabei hilft die einfache Frage: Wie meinst du das? Als erste unemotionale Reaktion kann sie auch helfen, Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Man spielt den Ball zurück, nimmt Tempo aus der Situation und bittet den anderen, die Bemerkung zu wiederholen und sich zu erklären, gleichzeitig vermeidet man Missverständnisse.
- Den Schaden begrenzen. Nicht das ganze Leben ist plötzlich dunkel, sondern nur ein Teil davon. Ein Bewusstmachen, dass die Kränkung nur ein kleines Schnittchen der Lebenstorte betrifft, hilft, den Wind aus den Segeln zu nehmen.
- Umdeuten des Negativen. Ohne den Blick auf das Reale zu verlieren, lohnt sich ein Umdeuten der katastrophalen, negativen Situation: Wofür ist diese Situation jetzt gut? Ist sie vielleicht zufällig auch für etwas nützlich? Diese andere Perspektive soll der Verletzung den Schrecken nehmen.
- Informationen herausfiltern. Es ist nicht unmöglich, dass in der kränkenden Aussage auch ein bestimmter Wahrheitsgehalt zu finden ist. Gibt es berechtigte Kritik, die du annehmen kannst? Es ist ziemlich cool, wenn es dir gelingt, dich auf die sachliche Seite der Verletzung zu fokussieren.
- Schmerz passiert allen. Mit sich selbst milde umzugehen und sich gleichzeitig bewusst zu werden, dass es allen Menschen so geht und jeder von uns Verletzungen dieser Art erleidet, hilft dabei, sich sich weiterhin verbunden zu fühlen.
Kurz-Zusammenfassung:
- „Primäre Kränkungen“ entstehen in der Kindheit und werden von vielen Menschen nicht vollständig aufgelöst.
- „Kränkungswut“ ist eine Erstreaktion auf eine seelische Verletzung, die tief geht und durch Introspektion auf die eigentliche Ursachen der Kränkung zurückgeführt werden kann.
- Es lohnt sich, früh nach außen auf eine Kränkung zu reagieren (Wie meinst du das?), um nicht in Starre zu verfallen und sich im Nachgang tiefer mit den eigenen Prägungen auseinanderzusetzen (Was genau verletzt mich so daran?).
Quelle:
Dieser Beitrag stützt sich in weiten Teilen auf diesen Artikel von Anne Otto, in dem Beiträge aus der erwähnten Literatur zitiert werden:
Anne OTTO: Mein wunder Punkt. Psychologie Heute 04/2020, online psychologie-heute.de (11.3.2020)
Literatur
- 1Anne OTTO: Mein wunder Punkt. Psychologie Heute 04/2020, online 11.3.2020, S. 18
- 2Bärbel WARDETZKI (2014): Ohrfeige für die Seele. Wie wir mit Kränkung und Zurückweisung besser umgehen können. München: DTV. / Bärbel WARDETZKI (2019): Loslassen und dranbleiben. Wie wir Veränderungen mutig begegnen. München: Kösel.
- 3Rolf SELLIN (2016): Ins Herz getroffen. Selbsthilfe bei seelischen Verletzungen. München: Kösel.
- 4Reinhard HALLER (2019): Die Macht der Kränkung. Wals bei Salzburg, Ecowin.
- 5Anne OTTO: Mein wunder Punkt. Psychologie Heute 04/2020, online 11.3.2020, S. 22
Verwandte Beiträge
-
Gefühle differenzieren lernen
Die Einsamkeit hat viele Geschwistergefühle: Angst, Traurigkeit, Enttäuschung. So lernst du deine Gefühle besser erkennen.
-
Was ist Einsamkeit?
Wer sich einsam fühlt, fühlt sich alleine, isoliert oder verlassen. Das negative Gefühl hat aber…
-
Jakob SIMMANK: Einsamkeit (2020)
Ist Einsamkeit wirklich das Gesundheitsrisiko Nummer Eins? Jakob Simmank entschärft drastische Aussagen und bietet Lösungen.