Im Alltag spricht man einmal schnell davon, sich „depressiv“ zu fühlen, auch wenn das nur als Übertreibung gemeint ist. Sprache funktioniert eben gut mit verdeutlichenden Extremen und wird im richtigen Kontext auch richtig verstanden. Eine Depression sollte man allerdings ernst nehmen und den Unterschied zu einer einfachen Verstimmung erkennen können. Woher weißt du, ob es Einsamkeit oder schon eine Depression ist?
Was ist eine Depression?
Grundsätzlich zeigt sich eine Depression mit Symptomen wie „Niedergeschlagenheit, Interessenverlust und Antriebslosigkeit“,1netdoktor: Depression. netdoktor.at aber auch „traurige Verstimmung, das Gefühl innerer Leere, Erschöpfung (Burnout), Überforderung, Angstzustände, innere Unruhe oder Denk- und Schlafstörungen“.2Das Wichtigste in Kürze für den eiligen Leser. depression.ch Eine Depression unterscheidet sich von Kummer, Trauer oder Traurigkeit, die wir in Reaktion auf „Verluste, Niederlagen, Enttäuschungen, Traumata oder Katastrophen“3MSD Manual: Affektive Störungen – Übersicht. msdmanuals.com erleben. Von einer affektiven Störung wie der Depression spricht man dann, wenn diese Gefühle überhand nehmen, sehr intensiv sind, andauern und den Alltag beeinträchtigen.
Eine Depression kann zwar in der Psyche beginnen, ist aber schließlich eine körperliche Krankheit. Und eine körperliche Krankheit braucht entsprechende Behandlung: Oft wird eine Depression mit Medikamenten behandelt, meist mit guter Psychotherapie, manchmal mit Klinikaufenthalten. Eine Depression hat ein vielschichtiges Krankheitsbild und ist nicht für jede oder jeden gleich. Sie kann leicht, mittelgradig oder schwer sein und wird dann entsprechend anders behandelt. Außerdem ist sie von außen oft nicht zu erkennen: Manche Menschen mit Depressionen haben soziale Strategien entwickelt, die ihre negative Stimmung verschleiern und somit ein Erkennen nicht leicht machen. Das bedeutet: Die Depression ist nicht automatisch sichtbar. Depression kann auch in bestimmten Lebensphasen, wie im Alter, der Jugend, im Winter, im Wochenbett usw. erstmalig oder wiederholt auftreten. Sie ist für Betroffene auch in unterschiedlichen Lebensphasen einfacher oder schwieriger zu bewältigen.
Weil Einsamkeit oft mit tiefer Traurigkeit und Verstimmung einhergeht, eine Depression aber auch ähnliche Gefühle auslöst, können dieses Gefühl und die Krankheit verwechselt werden. Online-Selbsthilfetests können hier nur einen ersten Ansatz bieten. Wenn du denkst, dass du eine Depression haben könntest, ist es wichtig, dass du dich bei einem Spezialisten vorstellst und diagnostizieren lässt, um die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten – ein paar Adressen zum Weiterlesen findest du weiter unten.
Depressiv ist nicht deprimiert: Unterschiede zwischen Depression und Einsamkeit
Eine Depression gibt es in vielen Formen und Abstufungen. Zumindest spricht man von leichter, moderater und schwerer Depression als einer „psychischen Störung“, „Affektstörung“ oder „Krankheit“ (ICD-10-Code „F“). Was erst nicht sehr aufbauend klingt, kann aber das Schuldgefühl mildern: Niemand ist „selbst schuld“, wenn sie*er depressiv wird. Es ist eine Krankheit, die jede:n treffen kann.
Für unsere Zwecke verwenden wir etwa auch Begriffe wie „depressive Verstimmung“, um ein zermürbtes, deprimiertes Gefühl auszudrücken, das keinen Krankheitswert hat. Das ist aber kein medizinischer Begriff – in der Psychologie spricht man eher von Depressivität, um einen Begriff zu verwenden, der neben der Krankheit Depression (sog. „Major Depression“) auch „Inaktivitäts- und Verstimmungszustände, Anspannungsschwächen, Niedergeschlagenheit und Bedrückung“ einbezieht.4Spektrum: Depressivität. spektrum.de
Wenn das Gefühl lange anhält, es deinen Alltag stark beeinträchtigt (du etwa morgens nicht mehr aus dem Bett kommst), keine äußeren Einflüsse deine Stimmung verändern können (etwa dich Menschen aufheitern) oder andere Menschen den Verdacht dir gegenüber erwähnen – dann solltest du mit jemandem sprechen. Das mag ziemliche Überwindung sein, ist aber notwendig, weil eine Depression nicht von alleine wieder verschwindet.
Zu einer Abgrenzung von Einsamkeit und Depression:
- Eine Depression bessert sich nur selten ohne Behandlung von alleine. Sie kann mit Psychotherapie und Antidepressiva behandelt werden. Einsamkeit hingegen ist ein Gefühl, das auch alleine bewältigt werden kann (wenn auch: nicht muss).
- Die negativen Gefühle von Traurigkeit, Niedergeschlagenheit und Kummer in einer Depression sind so intensiv, dass sie den Alltag (Beziehung, Arbeit, Familienleben, Haushalt, Freizeit) stark beeinträchtigen. Ein Gefühl der Einsamkeit kannst du hingegen vielleicht gut integrieren.
- In der Einsamkeit steht das Gefühl des Verlassenseins, Verlorenseins, Alleinseins im Vordergrund, in der Depression die niedergedrückte Stimmung und eine umfassende innere Leere und Antriebslosigkeit. In der Depression verstärken sich außerdem andere Gefühle wie Selbstzweifel und Selbstvorwürfe.
Einsamkeit kannst du – vor allem zu Beginn – meist gut selbst in den Griff kriegen, bei einer Depression brauchst du unbedingt professionelle Hilfe.
Wie kann man einer Depression vorbeugen?
Kurzfristiger leichter Schlafentzug kann bei manchen Depressiven (60 %) kurzfristig die Symptome lindern. Man hat auch herausgefunden, dass optimistisch gestimmte Menschen mit einem starken Selbstwertgefühl geringere Chance haben, an einer Depression zu erkranken. Sie sind resilienter.5netdoktor: Depression. netdoktor.at Positiv denken lohnt sich also! Aber natürlich ist es nicht so simpel.
Auch als wirksam erwiesen hat sich Sport.6Exercise and Pharmacotherapy in the Treatment of Major Depressive Disorder. DOI: 10.1097/PSY.0b013e318148c19a Bei regelmäßigem körperlichen Training kann die Depression erheblich eingedämmt werden, das hat mit körperlichen Botenstoffen, aber auch einer psychischen Komponente des Selbstwertgefühls zu tun. Für lang anhaltende Wirkung braucht es ca. 45 Minuten dreimal pro Woche sportliche Betätigung.7Spektrum: Die richtige Dosis Sport bei Depressionen. spektrum.de (Die Ergebnisse sind nicht unumstritten, es wird aber eher darum gestritten, wie viel Wirkung Sport genau hat, nicht ob.) Sport wirkt grundsätzlich auch vorbeugend gegen eine Depression.
Führt Einsamkeit in eine Depression?
Die Ursachen für eine Depression sind mannigfaltig, etwa können oft Stress und schwierige Lebensumstände dazu führen – aber nicht in allen Fällen ist eine schwierige Situation vorangegangen. Es gibt auch eine genetische Veranlagung für Depressionen, außerdem können bestimmte Krankheiten wie Rheuma und Multiple Sklerose und ein angegriffenes Immunsystem eine Depression begünstigen. Nicht zuletzt gibt es weitere äußerliche Faktoren wie Medikamente, die eine Depression herbeiführen können. Frauen erkranken etwa doppelt so häufig an Depressionen wie Männer.
Wenn Einsamkeit länger anhält, kann sie krank machen. Die Depression ist nur eine der möglichen Risiken von lang anhaltender, negativ empfundener Einsamkeit und sozialer Isolation. Außerdem kann umgekehrt eine Depression in Folge auch zu Einsamkeit führen, weil sich soziale Kontakte verringern. Einsamkeit und Depression korrelieren also stark miteinander, allerdings ist es tatsächlich so, dass eher Einsamkeit in eine Depression führt, nicht umgekehrt.8Jakob Simmank (2020): Einsamkeit. Warum wir aus einem Gefühl keine Krankheit machen sollten. Zürich: Atrium Verlag. S. 18. Siehe auch Buchtipp.
Die Depression ist für sich gesehen nicht gefährlich, allerdings können Menschen mit einer Depression in Drogen- oder Alkoholsucht verfallen, Arbeit und Beziehungen verlieren und Angstgefühle und Selbstmordgedanken entwickeln. Bis zu 15 % der Menschen mit unbehandelten Depressionen begehen Selbstmord,9MSD Manual: Affektive Störungen – Übersicht. msdmanuals.com etwa die Hälfte aller Menschen, die in Deutschland Suizid begehen, haben eine Depression.
Verwende den Begriff vorsichtig und bewusst, eine Depression sollte man nicht herunter spielen. Sie ist eine ernstzunehmende Krankheit!
Kontaktadressen
Grundsätzlich wendet man sich am besten an Ärzt:innen oder Therapeut:innen des Vertrauens. Eine Diagnose wird erst nach eingehender körperlicher und psychologischer Untersuchung gestellt. Der Verdacht kann sich allerdings schon vorher manifestieren. Für eine Ersteinschätzung hat sich etwa der Goldberg-Test etabliert.
→ Goldberg-Selbst-Test online machen: Bin ich depressiv?
Mittlerweile gibt es bessere Aufmerksamkeit für Depressionen und viele, die für ihre Enttabuisierung kämpfen, denn psychischen Krankheiten haftet heute oft noch ein Stigma an. Wende dich als Erstanlaufstelle ruhig auch an deine Hausärztin/deinen Hausarzt, dort bekommst du eine Überweisung und Adressen. Wenn du möchtest, kannst du auch Freunde nach einer Empfehlung für eine Psychotherapeutin/einen Psychotherapeuten fragen. In Deutschland scheint es grundsätzlich etwas schwieriger, einen Psychotherapieplatz zu bekommen als in Österreich, die Wartezeiten sind oft lang.
- Österreich: Beim Bündnis Depression kannst du dir Hilfe holen, hier gibt es viele Hilfsangebote nach Bundesland gelistet. In Wien kannst du etwa das Info-Telefon für Psychologinnen unter +43 1 407 91 92 oder für Soforthilfe den psychosozialen Dienst unter +43 1 313 30 erreichen.
- Deutschland: Deutsche Depressionshilfe.de
- Schweiz: depression.ch
- European Alliance Against Depression (EAAD)
Literatur
- 1netdoktor: Depression. netdoktor.at
- 2Das Wichtigste in Kürze für den eiligen Leser. depression.ch
- 3MSD Manual: Affektive Störungen – Übersicht. msdmanuals.com
- 4Spektrum: Depressivität. spektrum.de
- 5netdoktor: Depression. netdoktor.at
- 6Exercise and Pharmacotherapy in the Treatment of Major Depressive Disorder. DOI: 10.1097/PSY.0b013e318148c19a
- 7Spektrum: Die richtige Dosis Sport bei Depressionen. spektrum.de
- 8Jakob Simmank (2020): Einsamkeit. Warum wir aus einem Gefühl keine Krankheit machen sollten. Zürich: Atrium Verlag. S. 18. Siehe auch Buchtipp.
- 9MSD Manual: Affektive Störungen – Übersicht. msdmanuals.com
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